Menschen jubeln durch Klänge vereint auf einem großen Rock-Konzert.

Die verbindende Kraft der Musik: Was steckt hinter dem Mythos?

Kunst hat eine Wirkung. Sie überbrückt Unterschiede und kann eine Dialogform sein. Gemeinsames Singen schafft ein übergeordnetes Gefühl von Identität.

Wer miteinander musiziert, kann sich nicht bekriegen. Das ist der Gedanke hinter der Gründung des West-Eastern Divan Orchestra, für das der Dirigent Daniel Barenboim in Berlin eine Akademie aufgebaut hat. In dem Orchester spielen junge Israelis und Araber zusammen. Ein spezielles Friedensprojekt und Symbol dafür, dass Konflikte, wie jener im Nahen Osten, nur gemeinsam und über Dialog zu lösen sind, und man selbst aus scheinbar gegensätzlichen Positionen heraus etwas finden kann, das verbindet – und wenn es „nur“ die Musik ist. Tatsächlich werden Musik Effekte zugeschrieben, die die Menschen zusammenbringen. Was aber genau ist die Kraft der Musik?

Klänge fördern Identität und Spiritualität

Für das gemeinsame Musizieren, eine synchrone körperliche Aktivität, sind demographische Merkmale wie Geschlecht, Alter oder sozialer Status, aber auch individuelle Unterschiede wie Persönlichkeit oder Intelligenz kaum relevant. Durch das Musizieren und Singen – schreibt der Forscher Gunter Kreutz von der Universität Oldenburg – entstehe „ein übergeordnetes Gefühl von Identität, das es ermöglicht, diese als Teil eines Ganzen zu begreifen.“

Gemeinsames Singen fördert die Wahrnehmung der eigenen Stimme, bewirkt aber auch deren Aufgehen in gemeinsamen Klängen, wodurch sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Gruppe richtet. Es entsteht so etwas wie soziale Verbundenheit. Zu einer Erfahrung von Selbstwirksamkeit kommt eine Erfahrung von Spiritualität. Es hat einen Grund, warum in der Kirche so viel gesungen wird. 

Universelle Sprache – und Ausdruck von Freiheit

Jeder kennt das: Wenn Musik und Rhythmus auf Geist und Körper wirken und Töne die Menschen vereinen, fühlen sie sich auf spezielle Weise verbunden. Egal ob es sich um klassische Musik, Rap oder Pop handelt. Welch berührende Kraft Musik hat, und das Verbindende, das in ihr schlummert, wird auch in den Videos deutlich, in denen Menschen vor vom Krieg zerstörten Häusern in der Ukraine zu ihren Instrumenten statt zu Gewehren greifen. Musik und einzelne Lieder sind und waren wichtige Elemente in Freiheitskämpfen. Der Song „We shall overcome“ hatte zum Beispiel vielen Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung in den USA neuen Mut gegeben. Auch im sogenannten Arabischen Frühling, als die alte Ordnung in Frage gestellt wurde und Bürger mehr Rechte einforderten, wurde viel gesungen. 

Lange Tradition in Europa: Die Friedenslieder

Musik und Lieder sind auch ein beliebtes Medium, um Stimmung für den Frieden zu machen. Die Tradition der Friedenslieder in Europa reicht zurück bis in die Zeiten der mittelalterlichen Minnesänger und Troubadoure. Diese Dichter und Sänger huldigten nicht nur der Liebe, sondern auch dem Ideal des Friedens. Ihre Lieder handelten von Harmonie, Zusammengehörigkeit und der Sehnsucht nach einer Welt ohne Kriege.

Im 20. Jahrhundert gewannen Friedenslieder eine noch größere Bedeutung. Während des Ersten Weltkriegs dienten sie oft als Ventil für den Schmerz und die Trauer der Menschen und boten Trost und Gemeinschaft. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie zu Symbolen des Widerstands und der Hoffnung auf eine bessere Welt. Während des Kalten Krieges und der damit verbundenen Spannungen zwischen Ost und West trugen Friedenslieder zur Völkerverständigung und Förderung des Dialogs bei. Besonders in den 1960er- und 1970er-Jahren, während der Friedensbewegung, wurden Songs über den Frieden zu Hymnen für diejenigen, die sich für Abrüstung und globale Harmonie einsetzten.

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum

Zu den psychischen Wirkungen des Singens, die durch Forschungen belegt sind, zählen jedenfalls: Verbesserung der Stimmung, Entspannung und Stressminderung, geistige Aktivierung. Generell kann sich Musik positiv auf das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden auswirken und damit die Gesundheit fördern, wenn darunter nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen betrachtet wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Musik zweifellos eine verbindende Kraft besitzt. Wie stark diese ist und was sie genau bewirkt lässt sich nicht genau festmachen. Die wahre Magie der Musik liegt in ihrer Fähigkeit, Menschen zu inspirieren, zu bewegen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Indem sie gemeinsame Emotionen teilt und kulturelle Grenzen überwindet, schafft Musik eine Plattform, auf der Menschen sich begegnen können – wenn auch auf ihre eigene einzigartige Weise.
Musik kennt keine Sprachgrenzen und überwindet Gegensätze. Wenn man so will, ist es die einzig weltweit gültige Sprache, die alle verstehen. Ein einigendes Band, das sich seit Jahrhunderten durch alle Gesellschaften zieht. Ohne Musik, meinte schon Nietzsche, wäre das Leben ein Irrtum.

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